Story | Supply Chain

Nachhaltigkeit in der Lieferkette

Ausgerichtet am Pariser Abkommen von 2015 und dem darin enthaltenen 1,5°C-Ziel steht die gesamte Automobilindustrie in einer großen Transformation ihrer Geschäftstätigkeiten. Ergänzt werden die Erwartungen zur Erreichung der Klimaneutralität durch weitreichende Nachhaltigkeitsgesetze. Mit dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), dem europäischen Gesetz zur entwaldungsfreien Lieferkette (EUDR) und dem europäischem CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) rückt die gesamte sogenannte vorgelagerte und nachgelagerte Wertschöpfungskette besonders stark in den Fokus. Aber warum? Weil der Hauptanteil der Auswirkungen auf die Umwelt, die sozialen Themen und den Governance-Bereich bei vielen Unternehmen in der vor- und nachgelagerten Lieferkette, dem sogenannten Scope-3-Bereich, entstehen. Verstöße gegen die behördlichen Vorgaben werden stark sanktioniert und die CO2-Bilanzen, welche mittlerweile vermehrt die Scope-3-Emissionen enthalten, haben zunehmenden Einfluss auf unterschiedliche Nachhaltigkeitsratings und diese wiederum auf Finanzierungen und Stakeholderentscheidungen. Aus diesen Gründen leitet sich ein nachhaltiger Geschäftserfolg in Zukunft mehr denn je aus nachhaltigen Produkten ab. Diese wiederum verändern die Anforderungen an die Lieferketten. Wie ElringKlinger damit umgeht und welche Herausforderungen auf den Konzern zukommen, erfahren Sie im Interview mit Bernd Weckenmann, der im Konzern den Bereich Supply Management verantwortet.

» Es gilt die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten im Blick zu halten, denn externe Faktoren beeinträchtigen
die Versorgungssicherheit. «

Herr Weckenmann, wie stark sind die Beschaffungsaktivitäten bei ElringKlinger von den aktuellen Entwicklungen im Bereich der Nachhaltigkeit betroffen?

ElringKlinger ist ein weltweit agierendes Unternehmen mit mehr als 1.000 Lieferanten für unterschiedlichste Warengruppen allein im Produktionsbereich. Das gibt einen Einblick, wie vielschichtig die Struktur der vorgelagerten Lieferkette bei ElringKlinger ist. Die Komplexität wird durch die Änderung des Produktportfolios tendenziell noch zunehmen. Gleichzeitig gilt es, die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten im Blick zu halten, denn externe Faktoren wie Streiks, geschlossene Häfen, Schiffsunglücke, geopolitische Auseinandersetzungen oder Handelskriege und Wirtschaftssanktionen beeinträchtigen die Versorgungssicherheit. Zusätzlich führen umfangreiche europäische gesetzliche Anforderungen immer öfter dazu, die Komplexität von Beschaffungsvorgängen aus dem europäischen Ausland zu betrachten.

Wie reagiert ElringKlinger auf diese Entwicklung?

Diese Umstände bringen uns vermehrt dazu, eine Regionalisierung der Beschaffungsaktivitäten zu verfolgen. Gleichzeitig verkürzen wir dadurch auch die Transportwege. Aktuell verursacht die Einführung und insbesondere die Umsetzung der Nachhaltigkeitsanforderungen für uns und die gesamte Lieferkette einen erheblichen Arbeitsaufwand, da Jahr für Jahr immer mehr zusätzliche Dokumentationen und Datenerhebungen erforderlich sind.

Was sehen Sie als größte Herausforderungen bei der Umsetzung der zahlreichen Vorgaben?

Mit Blick auf die gesetzlichen Regularien nimmt die Informationsgewinnung von nachhaltigkeitsrelevanten Daten unserer Lieferanten eine wesentliche Rolle ein. Das kostet uns aktuell viel Zeit, da sich die gesamte Wertschöpfungskette, mit Blick auf die Datenerhebung der Nachhaltigkeitsthemen, in einer Entwicklungsphase befindet. Die Validierung der übermittelten Daten und die Nachverfolgung der Schwachstellen sind entscheidende, jedoch auch aufwendige Bausteine der Informationsbeschaffung.

Sehen Sie hier Unterschiede bei den Lieferanten?

Insbesondere für Lieferbeziehungen ins europäische Ausland wird die Rückverfolgung der Lieferkette bis zum Ursprung der Rohstoffgewinnung besonders aufwendig, denn für die Sorgfaltsplichten ist derjenige verantwortlich, der betroffene Produkte innerhalb der EU als Erster in den Umlauf bringt. Dies kann wiederum dazu führen, dass Unternehmen erwägen werden, wieder vermehrt innerhalb der EU-Grenzen zu beschaffen. Entscheidend ist hierbei eine tiefgreifende Risikobetrachtung der Lieferanten und Produkte. Zur Umsetzung implementierte ElringKlinger bereits einige neue Prozesse und IT-Systeme, denn die Kriterien der Risikoeinstufung sind enorm vielschichtig.

Welche weiteren Entwicklungen werden die Unternehmen künftig noch beschäftigen?

Die CO2-Kalkulation auf Produktebene. Denn in Zukunft interessiert es die Fahrzeugbesitzer nicht mehr nur, wie viel Kohlendioxid aus dem Auspuff kommt, sondern dann zählt vielmehr der Product Carbon Footprint (PCF) – d. h. die Summe aller entstandenen Treibhausgasemissionen während des gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs. Das hat zur Folge, dass unsere Kunden, die Automobilhersteller, Nachhaltigkeitskriterien vermehrt in Vergabeentscheidungen integrieren. Für uns ist die Konsequenz, dass wir immer öfter CO2-Werte auf Bauteilebene benötigen, die wir einerseits in Datenbanken erfassen und für PCF-Kalkulationen verwenden. Andererseits werden wir diese Datentransparenz nutzen, um daraus Reduktionspotenziale abzuleiten.

Wird sich das nicht auf die gesamten Beschaffungsprozesse auswirken?

Ja, es wird eine anspruchsvolle Aufgabe für unseren Einkauf sein, die Nachhaltigkeitskriterien zu bewerten und eine Vergleichbarkeit verschiedener Positionen herzustellen, um letztendlich die behördlichen Vorgaben und die Kundenanforderungen in den Lieferketten bestmöglich abzubilden. Insbesondere die Anforderungen an die Datentransparenz, die durch die neuen Gesetze erforderlich sind, stellen sowohl uns, aber insbesondere auch unsere Marktteilnehmer in der vorgelagerten Lieferkette, vor große Herausforderungen. Gleichzeitig ist es unsere unternehmerische Aufgabe, wettbewerbsfähig zu bleiben und profitables Wachstum zu generieren.

Wie stellt sich ElringKlinger diesen zahlreichen Herausforderungen?

Wir haben bereits frühzeitig damit begonnen, uns mit den neuen Anforderungen auseinanderzusetzen. Daraus hat sich bis heute schon eine Vielzahl an Weiterentwicklungen ergeben. So haben wir im Jahr 2023 erstmals einen Verhaltenskodex für Lieferanten veröffentlicht, welcher mittlerweile ein verpflichtender Vertragsbestandteil für unsere Lieferanten ist. Dieser beinhaltet Themen zur sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit, abgeleitet aus den Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Zur Einschätzung der Lieferantenrisiken, bezogen auf die Nachhaltigkeitsthemen, haben wir ein softwaregestütztes Risiko-Managementsystem eingeführt. Die Lieferanten erhalten elektronische Aufforderungen und Erinnerungen und müssen einen Fragebogen befüllen, welcher wiederum als Ergebnis eine Risikoeinstufung hat. Abweichungen können mit Maßnahmen belegt werden – mit dem Ziel, das Risko auf ein vernachlässigbares Niveau zu senken.


Welche Rolle spielt der Kodex denn im Alltag mit den Lieferanten?

Nun, der Inhalt des Verhaltenskodex für Lieferanten beeinflusst auch den Themenumfang des Fragenkatalogs für Lieferantenaudits, denn ElringKlinger hat den standardisierten Fragenumfang vom Verband der Automobilindustrie (VDA) um ein Kapitel für Nachhaltigkeitsthemen erweitert. Das Kapitel erhält eine separate Auswertung, gibt uns einen vergleichbaren Blick auf das Nachhaltigkeitsniveau unserer Lieferanten, sorgt für eine Sensibilisierung der Lieferanten für die Nachhaltigkeitsthemen und es werden Schwachstellen simultan der VDA-Systematik mit Maßnahmen belegt, was zu einer kontinuierlichen Verbesserung führt. Zusätzlich können die Risikoeinstufung, die Auditbewertung der Lieferanten und die CO2-Bilanz der Produkte, neben den Preis- und Qualitätsangaben, in Vergabeentscheidungen einfließen. Das macht das Gesamtbild während der Beschaffung zwar deutlich komplexer, schützt uns allerdings nachhaltig vor Anpassungsmaßnahmen in der Zukunft.


Wie lautet Ihr Fazit?

Am Ende verbergen sich hinter den Anforderungen erhebliche Mehraufwände für Unternehmen unserer Größe und auch unsere Lieferanten. Doch all die Maßnahmen heben uns perspektivisch auf ein neues Niveau, mit deutlich mehr Datentransparenz und in der Folge auch mehr Einblick in die vorgelagerten Lieferketten. Und das ist wichtig und richtig, damit Missstände zügig aufgedeckt oder gänzlich vermieden werden. Denn Nachhaltigkeit ist eine Gemeinschaftsleistung, in der wir alle unserer Verantwortung gegenüber künftigen Generationen gerecht werden müssen.

Herr Weckenmann, vielen Dank für das Gespräch!

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